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News

31/01 23

Archive of Jan Malý

PRO LANGHANS is involved in saving the legacy of photographer Jan Malý – more detailed information can be found here

03/10 15

Die NZZ über das Atelier Langhans

Neue Zürcher Zeitung, 3.10.2015
Autor: Anton Holzer

Das Atelier Langhans in Prag
Das gerettete Fotoarchiv

Das 1880 gegründete Atelier Langhans war eine Legende – bevor es im Kommunismus weitgehend aufgelöst wurde. Nach 1989 aber wurden Reste des Archivs aufgespürt.

Zuzana Meisnerová war 25 Jahre alt, als sie 1980 aus ihrem Heimatland, der damaligen kommunistischen Tschechoslowakei, in die Schweiz, also in den Westen, zog. An Rückkehr dachte sie nicht. Zuerst verschlug es die Absolventin der Prager Filmakademie nach Andermatt, dann nach Zürich, wo sie im Gastgewerbe arbeitete, später im Schweizer Fernsehen als Journalistin Fuss fasste und als Regisseurin tätig war. Rolf Wismer war Hotelier in Zürich, gerade 40, verwitwet mit zwei Töchtern, als er 1985 Zuzana Meisnerová kennen und lieben lernte. Es folgten Heirat, gemeinsames Leben, ein gemeinsamer Sohn und damit die Herausforderung einer Patchworkfamilie. Damit könnte diese Geschichte schon wieder beendet sein. Aber das Leben unserer beiden Protagonisten sollte eine ganz andere Wendung nehmen. 1989 kam der Mauerfall, und danach fiel auch das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei. Plötzlich rückte die lange Zeit so ferne Heimat von Zuzana Meisner Wismer wieder näher. Zuerst alleine, später immer öfter zusammen mit ihrem Mann, kehrte sie nun regelmässig nach Prag zurück. Und für die beiden begann eine familien- und fotogeschichtliche Recherche, die bis heute andauert.

Ein grosses Fotoatelier

Doch der Reihe nach: «Die Restitution kam für mich überraschend», erinnert sich Zuzana Meisner Wismer an die ersten Jahre nach der Samtenen Revolution. «Die Zeitungen begannen darüber zu schreiben, im Bekanntenkreis sprach man darüber.» Aber dass der von den Kommunisten verstaatlichte Besitz tatsächlich zurückgegeben würde, daran mochten viele anfangs noch nicht so recht glauben. Dann, im März 1991, war es so weit: Die Familie Meisner Langhans, die Anfang Januar 1949 unter dem kommunistischen Regime enteignet worden war, erhielt ein schmales, mehrstöckiges Gebäude in der Prager Vodičkova-Strasse 37 zurück. Es handelte sich nicht um irgendein Haus, sondern um eine einst illustre Adresse. Denn an dieser Stelle hatte im Jahr 1880 Jan Langhans (1851–1928), der Urgrossvater von Zuzana Meisner Wismer, ein berühmtes Fotoatelier gegründet. Langhans war ein geschickter Entrepreneur gewesen. Nach seiner technischen Ausbildung hatte er einen Brotjob in der Brauerei des böhmischen Grafen Chotek angenommen. Seine Leidenschaft aber galt der Fotografie. 1876 begann er in einem provisorischen Fotostudio im südböhmischen Städtchen Jindřichův Hradec Porträts zu machen. Das Auftragsbuch dieser Jahre ist, als eines der wenigen Erinnerungsstücke, erhalten geblieben. Zuzana Meisner Wismer blättert in den Seiten mit den alten handschriftlichen Notizen: «Die Nachfrage nach Fotos war damals gross, das Geschäft lief gut an.» Mit dem kommerziellen Erfolg im Rücken und den ersten Einnahmen in der Tasche liess sich Jan Langhans vier Jahre später in Prag nieder. 1880 kaufte er das zehn Jahre zuvor erbaute, nur 12 Meter breite, dafür aber 80 Meter tiefe Haus in der Vodičkova-Strasse 37. Bald erweiterte er das Gebäude durch zahlreiche Zu- und Anbauten. Auch in der Hauptstadt liess der Erfolg nicht auf sich warten. Bereits um die Jahrhundertwende war das Atelier Langhans in der mondänen Seitenstrasse des zentral gelegenen Wenzelsplatzes das grösste und bekannteste Fotostudio nicht nur in Prag, sondern in ganz Böhmen. Zeitweise betrieb Langhans vier Filialen, unter anderem in Pilsen und im mondänen Kurort Marienbad. In der Zwischenkriegszeit beschäftigte der Unternehmer bis zu achtzig Angestellte.

Erfolg durch Marketing

Der Aufstieg war nicht nur dem Glück des Firmengründers und den soliden Fertigkeiten seiner zahlreichen Fotografen geschuldet, sondern vor allem seinem werbemässigen Geschick. Langhans verliess sich nicht auf den Zufall, sondern dirigierte den Zulauf seiner Kunden mit innovativen Marketingideen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts liess er ein Auto mit dem Werbeschriftzug seines Ateliers durch die Strassen Prags kurven. Er lud die Prominenz aus der Stadt und weit darüber hinaus ein, sich von ihm ablichten zu lassen. «Langhans», so erzählt Rolf Wismer, «führte nicht nur Listen von Prominenten, die sich fotografieren liessen, sondern auch Listen jener, die noch nicht im Atelier gewesen waren.» Alles, was in Böhmen Rang und Namen hatte, pilgerte zu Langhans: Politiker und Bürger, Künstler und Intellektuelle.

Label mit Ausstrahlung

Der Ateliername wurde im Laufe der Jahre zu einem mitteleuropäischen Label, das weit nach Ost- und Südosteuropa ausstrahlte. Die Königsfamilie von Montenegro liess sich ebenso bei Langhans fotografieren wie der österreichische Thronfolger, dazu ungarische Gräfinnen, Prinzessinnen aus Aserbaidschan und türkische Adelige. Der Erfolgskurs des Ateliers hielt auch nach dem Ersten Weltkrieg an. Ganz selbstverständlich liess sich auch der Gründungsvater und erste Präsident der jungen Republik, Tomáš G. Masaryk, im Atelier Langhans porträtieren.

Als der Firmengründer Jan Langhans 1928 starb, übernahm sein Schwiegersohn Viktor Meisner, später sein gleichnamiger Enkel (1910–1991) die Führung des Unternehmens. Dieser manövrierte das Haus durch die schwierigen Zeiten des nationalsozialistischen Protektorats Böhmen und Mähren sowie des Weltkrieges. Als er dem Atelier nach 1945 wieder neuen Schwung versetzen wollte, kam ihm die Politik in die Quere. 1948 übernahmen die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei. Nachdem bereits grosse Industriebetriebe und grössere landwirtschaftliche Güter enteignet worden waren, kam es nach 1948 zu weiteren Verstaatlichungswellen. Am 1. Januar 1949 traf es den Dienstleistungssektor, zu dem auch die Fotografen zählten. «Als mein Vater Anfang Januar 1949 von der Beerdigung seiner Grossmutter nach Hause kam, wurde ihm und seiner Familie der Zugang zu seinem Haus verwehrt», erzählt Zuzana Meisner Wismer. Dann ging alles sehr schnell: Die wertvollen Kameras, darunter ein grossformatiger Apparat der Marke Hasselblad und Linhof, verschwanden spurlos. Am schwersten aber wogen die Verluste der Bilder. Das sorgsam gepflegte Fotoarchiv des Ateliers, das in seiner knapp 70-jährigen Geschichte auf rund 2 Millionen Glasplatten-Negative angewachsen war, wurde auf einer Mülldeponie am Rande Prags entsorgt. «Damit», so Zuzana Meisner Wismer, «sollten nicht nur der Besitz, sondern auch die Erinnerung an die Vergangenheit ausgelöscht werden.» Der kommunistische Kahlschlag vernichtete nicht nur das alteingesessene Atelier Langhans mit einem Schlag, sondern beendete auch – zumindest vorläufig – die fotografische Tradition innerhalb der Familie. Der Fotograf und Unternehmer Viktor Meisner musste Prag verlassen, durfte sich jedoch im ehemaligen Wochenendhaus niederlassen, in einem kleinen Ort unweit von Stará Boleslav, 30 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt. Er brachte seine Familie als Waldarbeiter und Arbeiter in einer Zuckerfabrik durch, seine Frau pflanzte Gemüse zum Verkaufen. Erst Mitte der 1960er Jahre konnte Viktor Meisner für einige Zeit zur Fotografie zurückkehren. Im Dienst eines staatlichen Fotobetriebs machte er vor allem Schulfotos.

Ein überraschender Fotofund

1991 war das Haus in der Vodičkova-Strasse Nummer 37 in einem jämmerlichen Zustand: löchrige Dächer, abgewohnte Räume, baufällige Mauern. Sogar im Inneren der Räume hatten sich dicke Schichten Kohlenstaub abgelagert, wie sich Rolf Wismer erinnert. Was tun mit diesem desolaten Haus? Einige Nutzniesser der Restitution gingen den Weg des schnellen Gewinns. Nach den Jahren der Lähmung und Stagnation übernahm ein wild gewordener Kapitalismus das Ruder in der Stadt. Mit Immobilienspekulation liessen sich Millionen verdienen. Die Lage der Immobilie war sehr gut. Westliche Banken, Versicherungen, Hotel- und Supermarktketten standen Schlange, um sich die besten Filetstücke der Stadt zu sichern.

Die besten Exemplare

Zuzana und Rolf Wismer Meisner entschieden sich für einen anderen Weg. Sie boten nicht Banken, sondern Architekturstudenten ein zeitweises Dach über dem Kopf an. Als sie 1998 in einem versteckten Winkel des Hauses in zwei verstaubten Holzschränken viele alte Glasplatten entdeckten, wussten sie: Das ist der Rest des legendären Langhans-Archivs, das hätte ausgelöscht werden sollen. Offenbar hatten die kommunistischen Bilderstürmer im verwinkelten Haus einen Teil des Archivs übersehen. Durch Zufall hatte dieser Schrank all die Jahre überlebt. Heute wissen Zuzana und Rolf Wismer Meisner: Von den ursprünglich an die 2 Millionen Glasplatten existieren noch 10 000 Glasplatten. Es sind nicht irgendwelche Aufnahmen, sondern jene, die dem Firmengründer Jan Langhans besonders am Herzen gelegen waren. Seit 1885 hatte er die besten und wertvollsten Exemplare seines Schaffens separat abgelegt, in eine Art «Galerie der Persönlichkeiten». Diese Auswahl diente wohl auch Werbezwecken. Potenzielle Kunden konnten sich anhand dieser Vorlagen von der Bekanntheit und Noblesse der bisher Porträtierten überzeugen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass gerade dieses Herzstück des Archivs Langhans erhalten geblieben ist.

«Anfangs war es für Zuzana nicht ganz einfach, mich für dieses Projekt in Prag zu gewinnen», meint Rolf Wismer. «Ende der 1980er Jahre war die Stadt grau in grau. Im Winter war sie geprägt von Kohlenstaub und Kohlengeruch. Sollten wir uns wirklich hier engagieren?» Aus einer vagen Idee wurde aber ein ambitioniertes Vorhaben, an dem Zuzana und Rolf Wismer Meisner nun schon seit zwei Jahrzehnten arbeiten. Das Haus Langhans sollte erneut ein Begegnungsort für Fotografen werden. Ende der 1990er Jahre wurde mit den Planungen für die Restaurierung des Hauses und seinen Umbau begonnen. Ladislav Lábus, heute ein renommierter Prager Architekt, leitete das Projekt. Im April 2001 wurde mit dem Bau begonnen, im August 2002 war er abgeschlossen.

Das Ergebnis: ein sorgsam renoviertes Haus im Zentrum von Prag, das neuerlich im Dienst der Fotografie steht. Im Erdgeschoss hat sich ein Fotogeschäft und -atelier eingemietet. Die Langhans-Galerie wurde etabliert, das erhaltene Fotoarchiv wurde nach den neuesten Standards gesichert: Die Bilder werden in einem klimatisierten Archivraum aufbewahrt, laufend restauriert und in einer Datenbank erfasst, Beispiele werden über die Website zugänglich gemacht. Das Archiv arbeitet inzwischen eng mit anderen in- und ausländischen Fotoinstitutionen zusammen.

Ehrgeizige Projekte

Ab 2003 fanden in den neu eingerichteten Galerieräumen jahrelang international ausgerichtete Fotoausstellungen statt. «Ich wollte», so Zuzana Meisner Wismer, «das Ausstellungsprogramm bewusst mit einem gesellschaftspolitischen Statement beginnen.» In der ersten Fotoausstellung wurden 2003 Porträts politischer Gefangener der 1950er gezeigt. In den folgenden acht Jahren waren so bekannte Fotografen und Künstler wie Hans-Peter Feldmann, Roman Signer, Jacob Hold, Miyako Ishiuchi, Martha Rosler oder Olaf Breuning bei Langhans zu Besuch. Dazwischen wurden Dokumentarfilmreihen gezeigt und auch ein Überblick über 130 Jahre Fotogeschichte des Ateliers Langhans.

Dass das Haus Langhans heute wieder lebt, ist das Verdienst zweier Menschen, denen Überzeugungen und Leidenschaft wichtiger waren und sind als der schnelle Gewinn. «Wir haben immer das gemacht, was wir wollten», so fasst Rolf Wismer ihr Engagement zusammen.

Inzwischen ist das Archiv Langhans in eine Stiftung überführt worden, um sie langfristig zu sichern. Zur Ruhe begeben wollen sich Zuzana und Rolf Wismer Meisner aber nicht. Schon tüfteln sie über dem nächsten Projekt. Nachdem die Wiederbelebung des Namens Langhans gelungen ist, soll nun ein mehrsprachiges, mit vielen faszinierenden Bildbeispielen illustriertes Buchprojekt entstehen, das von der Geschichte und Gegenwart dieses Hauses und seines Fotoarchivs erzählt. «Das Prager und tschechische Publikum haben wir inzwischen erreicht», meinen Zuzana und Rolf Wismer Meisner. «Das Buch soll, ganz im Sinne des Firmengründers Jan Langhans, ein grenzüberschreitendes mitteleuropäisches Vorhaben werden.»

Dr. Anton Holzer Fotohistoriker und Herausgeber der Zeitschrift «Fotogeschichte».